Deutschland, das Land der Dichter*innen und Denker*innen. So heißt es zumindest immer, so lernen wir es in der Schule. Allerdings lernen wir dort auch, dass es meistens Männer waren, die vor langer, langer Zeit bedeutungsschwangere Gedichte geschrieben haben. Erst in meiner Abiturprüfung im Fach Musik kam ich in Kontakt mit einem Gedicht von Ingeborg Bachmann. Die Dichtkunst ist heutzutage lebendig wie eh und je. Doch wenn in mir selbst der Drang erwächst zu dichten, wie fange ich es an? Wie sieht ein Gedicht heutzutage aus? Im Folgenden habe ich ein paar Gedanken und Tipps zusammengetragen, die dir ein gewisses Grundgerüst liefern sollen, um mit dem Verse Schmieden loszulegen
Die Gegenwart
Moderne Gedichte sind anders als das meiste, mit dem meine Generation in ihrer Schulzeit in Kontakt kam. Metrum und Versmaß sind nicht mehr das Maß aller Dinge. Durch neue Medien und neue Auftrittsformen hat sich die Art und Weise geändert, wie Gedichte geschrieben werden. Doch auch heute gibt es noch zeitgenössische Dichter*innen, wie Julia Engelmann, Rupi Kaur, Jan Wagner oder Benjamin William, die ihren eigenen Weg und ihr eigenes Publikum gefunden haben.
Wie fange ich an?
Ganz vorne steht die Inspiration. Dabei muss das nicht immer ein Impuls von außen sein (wie meistens bei mir z. B.), es kann auch ein inneres Bedürfnis sein, oder gar die Entscheidung, ein bestimmtes Thema in ein Gedicht verpacken zu wollen.
Das Thema
Wenn der Schreibimpuls von außen kommt, dann trägt er meistens bereits ein Thema mit sich. Nach ein paar Gedichten fällt einem dann vielleicht auf, was einen bewegt. Warum bin ich so fasziniert von Bäumen? Oder Wolken?
Viele junge Dichter*innen schreiben sich ihre Traumata von der Seele, in einem therapeutischen, teilweise aufklärerischen Ansatz, sie legen ihre Seele bloß. Ein mutiger Ansatz. Oder möchtest du gegen die Ungerechtigkeiten in der Welt anschreiben? In diesen Zeiten kann das ein mutiger Akt der Rebellion sein.
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Die Form
Dichterische Tradition haben uns ein Überangebot an verschiedenen Gedichtformen geliefert. Die Moderne mit ihren neuen Möglichkeiten Gedichte zu lesen hat noch mehr davon hervorgebracht. Will ich mich in ein traditionelles Muster einfügen? Dann ist es wichtig, die Form zu lernen, sie zu atmen, sie zu leben. Sonst klingt man am Ende wie Onkel Albert, der zum 75. Geburtstag von Oma Ingrid ein selbst verfasstes Gedicht vorträgt, das irgendwie über die eigenen Verse stolpert.
Wieder im Trend ist das Sonett, insbesondere seit Diane Seuss, die diese sehr traditionelle Form auf ihre ganz eigene Weise interpretiert hat. Das Haiku (und verwandte Formen) ist auch sehr beliebt heutzutage, wobei die Fixierung auf die Frage, ob ein bestimmter Dreiteiler auch wirklich ein Haiku ist, die Subszene immer wieder spaltet. Auch ich bin in dieser Angelegenheit durch einen Lernprozess gegangen.
Der Rhythmus
Auch wenn die Fixierung auf Metrum und Versmaß nicht mehr den gleichen Stellenwert hat wie früher, kann der natürliche Sprachrhythmus unseren Gedichten eine Struktur geben. Es kann helfen, sich die eigenen Gedichte laut vorzulesen, um den Rhythmus zu ergründen. Darin kann der Grund liegen, warum z.B. ein Haiku besser klingt, obwohl es ein oder zwei Silben zu viel hat.
Wenn die Worte beim Dichten zu einem Kristall zusammengesetzt werden, sind es Sprachrhythmus und -melodie, die diesem Kristall ihren Glanz verleihen.
Der Dialog
Ein Gedicht steht nie für sich allein. Die dichtende Person nimmt mit dem Gedicht Kontakt zu uns als Leser*innen auf. Vielleicht werden wir dabei nicht immer direkt angesprochen. Doch Ziel ist immer, eine Reaktion in uns hervorzurufen. Wer dabei in einen Dialog miteinander eintritt, kann ganz unterschiedlich sein und interessante neue Perspektiven eröffnen. Wichtig ist dabei nicht nur, mit wem die Leser*innen in den Dialog treten, sondern mit wem ich selbst beim Schreiben des Gedichts in Kontakt komme.
Die Perspektive
Wo wir schonmal dabei sind. Was ist die Perspektive? Schaue ich mit einem Telezoom auf kleine Details? Tauche ich ein in meine Emotionen? Oder betrachte ich die Welt in einem breiten Weitwinkel?
Jede Perspektive hat ihre Berechtigung. Aber es kann helfen im Schreibprozess, wenn ich mir im Vorfeld Gedanken um meinen Blickwinkel mache.
Die Aussage
Da waren wir doch schonmal, oder? Allerdings im Gegensatz zum Thema, das erstmal nicht zwangsläufig eine Wertung enthalten muss, kann ich meinem Gedicht mit einer Aussage eine Richtung geben. Das ist insbesondere dann wichtig, wenn ich politische oder gesellschaftskritische Gedichte schreibe. Bei Liebes- oder Naturgedichten mag das auf den ersten Blick nicht das wichtigste Element sein, kann dem Gedicht jedoch einen starken Twist verleihen. Eine Aussage muss auch nicht immer mit dem Holzhammer transportiert werden. Je subtiler sie verstecken werden kann, umso nachhaltiger kann sie wirken.
Die Anderen
Lyrik ist eine Kunst, die vom Austausch lebt. Was machen die anderen? Wie projizieren sie ihre Gedanken auf ein Blatt Papier (oder auf den Schirm ihrer tragbaren elektronischen Schreibmaschine)? Wenn ich mich mit anderen Lyriker*innen und ihrer Kunst befasse, kann ich nur dazulernen. Dieses oder jenes Gedicht gefällt mir, so würde ich auch gerne schreiben. Oder auch wenn ich herausfinde, dass ich mit einem ganz bestimmten Autoren so gar nichts anfangen kann. Ich selbst hatte mich zum Beispiel mit den Beat Poeten aus den USA beschäftigt. Dadurch wurde W. S. Merwin (eigentlich kein Beat Poet, aber Zeitgenosse) für mich zu einem großen Vorbild, Allen Ginsberg zu jemandem, dessen Ton und Ausdruckskraft ich sehr bewundere, und Jack Kerouac in meinen Augen zu einem überbewerteten One-Hit-Wonder, der langweilige Haiku schrieb. Es kann sich lohnen, Kontakt zu anderen Dichter*innen aufzunehmen. Sei es im Internet über z. B. Discord oder Facebook. Oder im wahren Leben auf Buchmessen oder Lesungen. Vielleicht schreibt man auch mal zusammen ein Gedicht. Der direkte Austausch mit anderen Künstler*innen ist durch nichts anderes zu ersetzen.
Der Feinschliff
Papier ist geduldig. Was auf der Seite gut aussieht, hört sich aber unter Umständen nicht gut an.
Lese dir das Gedicht laut vor. Gibt es holprige Stellen, Verse, die sich nicht so recht zusammenfügen? Meistens merkt man das erst, wenn man es mit den eigenen Ohren wahrnimmt. Mit Gedichten ist es mitunter wie mit längeren Geschichten. Sie sind nie wirklich fertig. Man findet immer wieder eine Formulierung, die man noch verbessern könnte. Manchmal muss man einfach loslassen.
Der Disclaimer
Es gibt viele Wege zu einem Gedicht. Was ich hier wiedergebe, ist die Summe meiner Erfahrungen, Dinge, die für mich funktionieren. Das Schreiben ist so individuell wie das Leben.
Finde deinen eigenen Weg!

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