Buchanfang schreiben - Tipps und Ideen

Der Anfang eines Buches ist besonders wichtig. Er kann darüber entscheiden, ob Leser*innen Lust auf mehr bekommen oder das Buch zurück ins Regal stellen – ein Gastbeitrag von Autorin, Lektorin und Schreibcoach Tanja Steinlechner.

Inhaltsverzeichnis

Schreibwaren

Aller Anfang ist schwer

Kennst du das? Du befindest sich, sagen wir, es ist kurz nach Mitternacht, auf dem Weg von der S-Bahn nach Hause. Du steckst die Hände in die Manteltasche, so kalt ist es, und du hast die Handschuhe auf dem Tresen zurückgelassen, zusammen mit einem Zettel. Eine Nachricht für die Fremde. Die Nacht birgt das Unbekannte, der Eiswind frisst an deinen Haaren und deine Schritte hallen auf dem Asphalt wider, erzeugen Rhythmus. Du gehst schneller, es ist gar zu kalt, und mit deinem beschleunigten Schritt nehmen die Bilder Fahrt auf.

Die Fremde ordert einen Moscow Mule, ihr Getränk zur abgetragenen roten Lederjacke, ihrem Bleistiftrock und ihren unsteten Augen, auf der Suche nach Grenzen, die sie zum Fallen bringen werden. Ihr Blick streift den Fremden, der eine Leere in sich trägt. Er ist ihr Mann. Unterdessen knüllt sie einen Zettel zu einem undefinierbaren Ball zusammen und stopft ihn in ihre Jackentasche. Sie ahnt nicht, dass er gegen das leise Stampfen einer Beatmungsmaschine antrinkt, gegen das Aufbrechen des Morgens, solange bis die Töne leiser werden, sich der Schmerz nicht mehr fassen lässt und sich im Rauschen der Zeit verliert.

oder

Manchmal streift uns das Wissen um die richtige Entscheidung auf einer Spur, die wir nicht gelegt haben. Der Duft der Fremden, der dich an eine Begebenheit erinnert, an zarte Hände und einen Blick, der versprach, dich umfangen zu halten, und dann eintauchte in den Strom der Zeit, während du ihn fortwährend suchtest. Dein Herz hämmert gegen die Brust. Du steigst an der nächsten Haltestelle aus, du wirst sie nicht warten lassen. Schwimmen gegen die Zeit. Du folgst einem Impuls, der dich in die Bahn gegenüber steigen lässt, schwankst durch eine Nacht mit vollem Mond über Schöneberg und dein Gehen ist kein Gehen mehr, es ist Bestimmung. Wie du die Tür öffnest und die Fremde lehnt am Tresen und du bleibst vor ihr stehen.

Der kreative Prozess

Alternativszenarien würfeln in deinem Kopf um die Wette. Schreibende wissen, es geht nicht darum, Ideen zu finden, Spuren aufzunehmen oder Szenen für die sich stapelnden Bilder im Kopf zu finden, vielmehr gilt es, eine Auswahl zu treffen. Wie entsteht aus einer Nachtträumerei ein fesselnder Anfang für eine Story, die sich zu einer Kurzgeschichte, einer Erzählung, einem Roman entwickeln wird? Was passiert, während du im Kopf Was-wäre-wenn-Szenarien schreibst und später Wortströme auf Papier fließen lässt? Ein Steinbruch aus Erinnerung und Möglichkeit, du fügst Details hinzu und erweiterst dein Leben um eine neue Komposition. Im Erfundenen bist du bei dir auch wenn du gar nicht vorkommst. Du fällst in Träume und deine Finger bewegen sich von ganz allein.

Vom Autor zum Leser oder die Verheißung der Reduktion

Geschichten wachsen mit ihrer Leserschaft. Wie aber weißt du, welcher Anfang und letztlich welche Geschichte das Potential dazu birgt, dein Publikum zu erreichen? Ein erster Indikator ist, ob sich deine Idee in dir festzusetzen vermag, zunächst ganz unabhängig von einem Markt oder etwas von außen an dich Herangetragenem. Gibt es Figuren, die nach dir greifen, Räume, die erforscht werden wollen, eine bestimmte Atmosphäre, die von ihnen ausgeht? Mein erstes Beispiel, du erinnerst dich an die Fremde auf der Suche nach Entgrenzung und den Mann, dessen Frau im Sterben liegt, definiert im ersten Absatz ein Thema: Liebe und Sterben. Wie kann menschliches Leben – trotz oder gerade mit dem Wissen um Sterblichkeit – gelingen? Zwei Figuren, zwei Versuchsanordnungen, zwei Entwürfe.

Detailaufnahme schreiben

Auch im zweiten Beispiel, so scheint es, dreht sich alles um die Liebe. Obwohl in der Form einer Liebesgeschichte gedrechselt, geht es vielmehr um Schicksal und Geworfensein. Frage dich, ob dein Thema zu deiner Erzählstimme passt, ob Form und Inhalt eine Einheit bilden. Gerade Anfänger verarbeiten oft zu viel im ersten Roman und berauben so Kerngedanken ihrer Bedeutung. Reduktion ist hier das Mittel der Wahl.

Tipps für den perfekten Einstieg

Damit dir der perfekte Einstieg gelingt, orientiere dich an folgenden Tipps.

Finde Abstand zu deinem Projekt
Wenn du wieder an deinen Text herantrittst, nach einer traumlosen Nacht, und im Aufbrechen der Dämmerung deinen ersten Satz noch genauso packend findest wie gestern, wenn du vergisst, dass es Sätze sind, bloß Worte die Klänge definieren, wenn du einem inneren Film folgst und darüber aus dem Auge verlierst, dass du selbst diese Welt geschaffen hast, dann bist du auf dem richtigen Weg.

Schreibe erste Entwürfe
Kümmere dich nicht um logische Brüche, hinterfrage die Satzstellung nicht und nicht die Motivation deiner Figuren. Lass sie handeln, getrieben sein, stürze dich in die Flut der Bilder. Erschrick nicht, wenn du später die Hälfte streichst, nur Passagen bleiben oder einzelne Worte. Traue dich, Anfänge gegeneinander zu montieren, sie miteinander verschmelzen zu lassen, sie zu erweitern. Das Schreiben selbst führt dich und du hast einen lebendigen Materialkörper geschaffen. Es schmerzt, ihn auszuhöhlen, aber genau das ist die Arbeit. Was ist überflüssiges Beiwerk und verstellt den Blick? Steigst du spät genug in die Szene ein und früh genug, so dass der Leser dir folgen kann? Die richtige Balance zwischen Leerstellen und Details entfachen Interesse.

Oft lassen sich erste Absätze ersatzlos streichen
Die Arbeit war nicht umsonst, der Autor musste sich einschreiben, der Leser seine Arbeit aber nicht nachvollziehen. Er soll eintauchen dürfen in Gerüche, Klang und Atmosphäre, in Stil, Welt und Fragezeichen. Wirf ihn nicht aus deinem Stoff, weil er deinen Arbeitsprozess mitlesen muss.

Suche Inspiration
Vielleicht stöberst du in Buchhandlungen und beobachtest dich selbst, welche Romananfänge Resonanzräume in dir öffnen? Sie sind Versprechen auf ein geheimes Wissen, auf Schmerz, Liebe und Glück. Wenn der Alltag im Gleichschritt tönt, locken sie mit der Verheißung einer Geschichte, in der zwar gelitten und gestorben wird (zumindest symbolisch), die sich aber folgerichtig entspinnt. Keine Halbherzigkeit, die nicht abgestraft wird, keine Mutlosigkeit, die nicht Entwicklung fordert. Wo bist du selbst im Buch, kommen Splitter von dir darin vor? Und nicht zuletzt: Welcher Erzählstimme vertraust du dich an? Wenn du darauf eine Antwort kennst, weißt du auch, wie du deinen Anfang schreiben willst.

Notizbuch zum Schreiben

Es kursieren so viele Tipps, was zu beachten ist, wenn es um Romananfänge geht: Welche taugen und welche nicht und – wie immer – gibt es, auch in der Weltliteratur, zig Gegenbeispiele. Was also tun? Nimm all die Regeln in dich auf, folge ihnen, verwirf sie, wenn nötig, aber erst wenn du verstehst, wozu sie taugen, schreibe Variationen, finde deine eigene Werkstatt. In der Brechung liegt Schönheit, aber erst wenn du weißt, mit was du brichst. Lasse dich von deiner Lust am Klang, am Spiel treiben. Liegt ein Versprechen in deinem ersten Satz, im ersten Abschnitt? Baut sich Spannung auf? Kann dein Leser das Thema – sowohl in der Form als auch in der Handlung – erspüren? Finde kompetente Erstleser und last but not least: schreib.

Tipp von epubli: 10 schnelle Schreibübungen für zwischendurch

Diese kleinen Schreibübungen eignen sich wunderbar für zwischendurch und behandeln verschiedene Themen und Situationen. Wenn du möchtest, kannst du natürlich gern über den ersten Satz hinaus eine (Kurz-)Geschichte kreieren. Und wer weiß – vielleicht entsteht sogar ein ganzes Buch auf diese Weise. 

Wie würde dein erster Satz lauten, …

  1. …wenn Du der letzte Mensch auf Erden wärst?
  2. …wenn Deine Geschichte auf einer (Silvester-)Party spielen würde?
  3. …wenn Du einen neuen Superhelden-Comic schreiben würdest?
  4. …wenn Dein Protagonist ein Pechvogel wäre?
  5. …wenn Dein Buch in Deiner Heimatstadt spielen würde?
  6. …wenn Du eine Piratengeschichte schreiben würdest?
  7. …wenn das erste Wort “Leben” lauten würde?
  8. …wenn Du einen Heimatkrimi schreiben würdest?
  9. …wenn der Protagonist Deiner Geschichte ein Zeitreisender wäre?
  10. …wenn Du über Deine letzte Reise schreiben würdest?
tanja steinlechner
Tanja SteinlechnerGastautorin
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Tanja Steinlechner ist Autorin, Lektorin und Gründerin der Berliner Autorenschule Schreibhain. “Im Schreibhain unterstützen wir Autoren nicht nur in ihrer handwerklichen Weiterentwicklung, sondern schaffen Vernetzungen mit der Branche und fördern eine gegenseitige Feedbackkultur, in der kreatives Arbeiten erst möglich wird.”

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